(Kein) Schwimmen mit Delfinen?
„Einmal einen Wal sehen!“ Dieser Sehnsuchtswunsch, der nicht nur mal Werbe-Slogan der Bahn war, sondern auch die Sehnsüchte vieler Menschen widerspiegelt, lässt sofort Bilder in unseren Köpfen auftauchen. Oder mindestens gleichwertig, der Wunsch: „Einmal mit Delfinen schwimmen!“
Das sind Bestandteile der „Bucketlist“ (=Wunschzettel) vieler Menschen.
Vor 25 Jahren waren diese Wünsche auch Teil meiner „Bucketlist“ und führten mich auf unglaubliche und magische Weise damals zu den Walen und Delfinen der Insel Pico und genau seitdem betreue ich unter anderem Whale-Watching-Ausfahrten, meistens mit jugendlichen Teilnehmenden.
Davor hatte ich meine Diplomarbeit im Bereich aquatischer Ökologie absolviert, dazu an der Uni Kurse und Exkursionen in Meeresbiologie und Verhaltensforschung, war Teil einer biologischen Forschungstauchergruppe, und vor 2 Jahren habe ich eine Fortbildung für tiergestützte Interventionen gemacht u.a.m.
Ich bin auch sonst häufig auf dem Meer unterwegs – auch unter Segeln – und auch hier kann ich bei fast jedem Törn zusammen mit erwachsenen Gästen Delfine und Wale erleben- egal wo, es ist jedes Mal magisch!
Beim Delfincamp in Pico ist es - je nach Situation - bei unseren Ausfahrten mit Jugendlichen auch möglich, zu den Delfinen ins Wasser zu gehen. Wir nennen das bewusst nicht „Schwimmen mit Delfinen“, um falschen Erwartungen vorzubeugen, welche u.a. mit von vielen einst geliebten Filmen wie „Flipper“ transportiert werden, aber auch mit Begriffen wie „Delfintherapie“ oder den „Delfin-Schwimm-Programmen“, die es in Delfinarien oder auch in eingezäunten Buchten häufiger gibt und mit denen sicherlich viel Geld gemacht wird. Alle diese Programme und Begriffe suggerieren einen hautnahen Kontakt mit Delfinen oder dass man sich sogar an der Rückenfinne festhalten kann und durchs Wasser gezogen wird.
Dem trete ich entschieden entgegen!
Was auf den Azoren beim Whalewatching möglich ist und inzwischen nur bei speziellen Buchungen überhaupt angeboten wird, ist, dass man ins Wasser darf, wenn Delfine da sind und die Umstände dieses erlauben.
Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, dann können wir den Delfinen draußen begegnen und wir tauchen ein in eine für uns völlig fremde Welt aus Licht und Klang, die den uns unbekannten dreidimensionalen Raum unter Wasser erfüllen und dessen Teil wir plötzlich sind. Überall um uns herum pulsiert das Leben und diese wundervollen Tiere schießen torpedohaft an uns vorbei, jagen oder drehen gar um, um uns direkt zu beäugen, die Delfinlaute durchdringen uns. Wir bekommen ein Gefühl für die Schönheit des Meeres und seiner „Bewohner“. Den Augenblick, wenn ein Delfin in unsere Nähe gekommen ist und uns angeschaut hat, werden wir unser ganzes Leben nicht mehr vergessen! Mit Vielen macht genau diese Begegnung etwas ganz tief drin im Inneren – in der Psyche (darüber mehr an anderer Stelle), auch wenn sie nur kurz gewesen sein mag. Wir lernen die Dankbarkeit für diese Begegnungen und dass wir sie nicht „bestellen“ oder erzwingen können, weil die Delfine das selbst entscheiden. Es erleben zu dürfen, ist ein Geschenk.
Und genau das ist der Punkt und auch ein wichtiger Bestandteil meines Programmes:
Die Delfine entscheiden darüber, ob und wie nahe man ihnen tatsächlich kommen darf. Man könnte sie zwar mit einem Boot nerven, niemals aber auf dem offenen Ozean zu etwas zwingen. Ein gut geschulter Skipper weiß dies und verhält sich ohnehin entsprechend.
„Schwimmen mit Delfinen“ - muss das sein?
Diese Frage kommt einem immer wieder in den Weg, wenn man sich mit Delfinen beschäftigt.
So erhielt ich erst kürzlich wieder einen Newsletter einer Naturschutzorganisation mit einem Artikel, der dies thematisierte und dazu verschiedene Theorien und Forderungen aufstellte.
Jeder hat dazu seine Sicht- und Erfahrungsweise. Und deswegen möchte ich hier meine auch teilen, auch deshalb, weil ich die Anbieter auf der Insel Pico, um die es in diesem Artikel geht, auch alle kenne und Delfin-Begegnungen selbst anbiete:
Vorab wiederhole ich einige Thesen, die in diesem Artikel vertreten wurden:
Tatsache ist: Die Voraussetzungen dafür, zu Delfinen ins Wasser zu gehen, sind streng reglementiert:
Ich habe in Pico – auch zur Hauptsaison – niemals Massen an Menschen erlebt, die von den Booten zu den Delfinen ins Wasser gesprungen wären. Schon aufgrund der geltenden Regeln ist dies nicht möglich und auch nicht erwünscht. An anderen Stellen der Welt soll solches allerdings schon vorgekommen sein und ich würde es nicht unterstützen!
Nachhaltiges Whalewatching (um hier mal einen In- Begriff zu gebrauchen) bedeutet, sich als Whale-watching Company so zu verhalten, dass die Tiere in der Region bleiben, bzw. auch in der nächsten Saison wieder vorbeikommen, so dass man sie wieder besuchen und zeigen kann. Eigentlich logisch.
Welche Interaktionen kann man von den Tieren aus beobachten?
Schadet Whalewatching oder Schwimmen den Tieren?
Mein Eindruck und meine Antwort dazu ist: Nein, nicht auf die Art, wie es in Pico (und Faial) betrieben wird. (Zu anderen Azoreninseln kann ich keine Aussage machen.)
Wenn man der Meinung ist, dass gelegentliche Begegnungen im Wasser mit freilebenden Delfinen (es sind ja aufgrund der Mobilität der Tiere noch dazu in der Regel jedes Mal andere!) den Tieren schaden, dann müsste man konsequenterweise gleich Whalewatching komplett verbieten!
Seltsamerweise hat die Schreiberin des von mir gelesenen Artikels dies aber nicht gefordert – sondern sie hat - ganz im Gegenteil - gleich genau jenes Whalewatching-Unternehmen, für das sie selbst seit 2 Jahren tätig ist, als leuchtendes Beispiel für „best Practice“ genannt und auch gleich werbewirksam verlinkt. Auch hierzu wäre meine Frage / Anmerkung: Cui bono? Wem nutzt es? …. Darüber mag sich jeder selbst eine Meinung bilden!
Daher stelle ich jetzt die ganz radikale Frage:
Was würde ein Verbot von Whalewatching speziell auf den Azoren (und auch anderswo auf der Welt) bringen?
Positivbeispiele
In Island gibt es zunehmend Whalewatching – und in diesem Jahr das erste Mal auch keine Jagd mehr auf Wale!
Wenn die örtliche Bevölkerung statt mit der Waljagd mit friedlichem Whalewatching ihr Geld verdienen kann, wird sie eher geneigt sein, die Waljagd aufzugeben!
Meine Hoffnung wird genau durch die Geschichte der Azoren genährt: auch hier wurden Wale (und Delfine!) früher gejagt, was sich die Insulaner heute selbst nicht mehr vorstellen können. Wie viel gefährlicher, brutaler und dreckiger waren diese Zeiten damals! Seitdem haben die Wale und Delfine auf den Azoren auf ganzer Linie gewonnen, für beide Seiten war es eine win-win-Situation!
Diese Perspektive erträume und erhoffe ich mir auch für die Faroer-Inseln, die leider vom Thema Whalewatching noch weit entfernt scheinen.
Daher behalte ich selbst es mir auch weiterhin vor, Jugendlichen diese Tiere im und unter Wasser näher zu bringen, erleben, lieben und respektieren zu lernen! Genau das brauchen wir in heutigen Zeiten meiner Meinung nach mehr denn je: Respekt vor und Liebe zum Leben - für jegliches Lebewesen.